Dr. Utz Jürgen Schneider
-  Immobilienberatung  -


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Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,706323,00.html
© SPIEGEL.de - 14.07.2010

Finanzkrisenprozess

Milde für den Milliardenzocker

Aus Düsseldorf berichtet Anne Seith

Zehn Monate Haft auf Bewährung plus 100.000 Euro Geldstrafe - das Urteil gegen Ex-IKB-Chef Ortseifen hinterlässt Ratlosigkeit. Immerhin geriet der Geldkonzern unter seiner Ägide an den Rand des Zusammenbruchs. Ist der Manager zu gut weggekommen?

Stefan Ortseifen hat den Blick starr geradeaus gerichtet, der Mund ist nur noch ein Strich. Die Mikrofone, die ihm entgegengestreckt werden, ignoriert der Ex-Chef der IKB-Bank, als er langsamen Schrittes das Gerichtsgebäude in Düsseldorf verlässt. Sieht so ein gebrochener Mann aus? Einer, der eine Bank an den Rand des Abgrunds geführt hat, so dass sie als erster deutscher Geldkonzern von der Finanzkrise mitgerissen wurde? Dem eine Richterin sein ganzes Versagen gerade vor den Augen der Öffentlichkeit dargelegt hat?

Unmöglich zu sagen, was in dem hochgewachsenen 59-Jährigen vorgeht. Als er in der Sommersonne zu einem nahe gelegenen Hotel geht, wirkt er wie ein beliebiger Geschäftsmann. Sein Haar ist fast weiß und sehr schütter, der dunkle Anzug sitzt gut und sieht teuer aus, der Gesichtsausdruck ist noch immer unbewegt. Denkt er schon an die nächste Runde?

Denn Ortseifen will weiterkämpfen. "Na klar", lautet die Antwort seiner Anwälte auf die Frage, ob Revision eingelegt wird. "Das ist ein krasses Fehlurteil", wettert Jurist Reinhard Freiherr von Dalwigk. Ortseifen, von 2004 bis 2007 Vorstandssprecher der Mittelstandsbank, beharrt trotz des soeben verkündeten Urteils auf seiner Unschuld. Er hält sich selbst für ein Opfer dieses unvorstellbaren Bebens auf den Finanzmärkten, das unmöglich zu erahnen war. Und er will genau das von der Justiz bescheinigt haben.

Er könnte auch erleichtert sein. Wenigstens ein bisschen. Zehn Monate auf Bewährung lautet das Urteil gegen ihn. Plus eine Geldstrafe von 100.000 Euro, zu zahlen an zehn verschiedene wohltätige Institutionen. Dabei gab es bestimmt nicht wenige Momente in den vergangenen Jahren, in denen Ortseifen sich schon im Gefängnis sah. Immerhin hat der Manager bei der IKB ein Trümmerfeld hinterlassen.

Wegen Zockereien am US-Hypothekenmarkt wurde die einst kreuzsolide IKB als erstes deutsches Finanzinstitut von der Finanzkrise erwischt. Zehn Milliarden Euro an Garantien und Finanzspritzen waren nötig, um den Untergang abzuwenden. Der Großteil ist Steuergeld. Und noch immer schreibt die mittlerweile an den Finanzinvestor Lone Star verkaufte Bank Verluste, zuletzt fast eine Milliarde Euro.

Zehn Monate auf Bewährung und eine Geldstrafe - das also ist alles, was Ortseifen verbüßen soll? Viele Prozesszuschauer hatten schon empört reagiert, als der Staatsanwalt dieses Strafmaß forderte. Jetzt hinterlässt das erste Verfahren, das im Zusammenhang mit der Finanzkrise geführt wird, am Ende bei vielen ein Gefühl der Ratlosigkeit. Denn es hat vor allem eins gezeigt: Wie schwer erfüllbar die Hoffnung ist, eine solche Krise könnte auch nur teilweise vor Gericht aufgearbeitet werden.

"Maulkorberlass" für die Risikoüberwachung

"Schuldig der Kursmanipulation" lautet das Urteil gegen Ortseifen. Es bezieht sich nicht auf die riskanten Derivate-Zockereien, die die IKB über Jahre hinweg über sogenannte Zweckgesellschaften - also außerhalb der Bilanz - tätigte. Es beantwortet nicht die Frage, wie angemessen es ist, wenn ein Geldinstitut mit einem Eigenkapital von nicht einmal eineinhalb Milliarden Euro solche Risikogeschäfte im Volumen von mehr als 17 Milliarden Euro eingeht. Für eine Anklage wegen Untreue mit Blick auf solch blindwütige Investments in hochkomplexe Finanzinstrumente fehlten der Staatsanwaltschaft die Beweise. Denn dafür muss ein Vorsatz nachgewiesen werden - der Wille, dem Geldinstitut Schaden zuzufügen.

In dem Urteil geht es wie schon im Prozess deshalb nur um eine einzige Pressemitteilung, herausgegeben am 20. Juli 2007 gegen 16 Uhr. "Sehr gut" sei die Bank ins neue Geschäftsjahr gestartet, heißt es da. Die Krise am amerikanischen Hypothekenmarkt habe "praktisch keine Auswirkungen" auf die IKB. Die Mittelstandsbank sei lediglich mit einem einstelligen Millionenbetrag in kritisch eingestuften Subprime-Papieren investiert.

Eine Woche später sollte die Bank wegen ihres Engagements am US-Subprime-Markt vor dem Kollaps stehen.

Ortseifen habe die Lage damals irreführend beschönigt, steht für Richterin Brigitte Koppenhöfer fest. Um die Anleger in Sicherheit zu wiegen, einen kompletten Preisabsturz der IKB-Aktien zu verhindern.

Der Bank-Manager hatte schon in den Wochen zuvor derart eigenmächtig und dreist agiert, wie es eigentlich nur einer kann, der komplett die Bodenhaftung verloren hat. Oder einer, der total verzweifelt ist. Der das Unheil noch verhindern will, in dem er vor der Realität einfach die Augen verschließt.

Schon am 27. Juni wurde Ortseifen in einer Aufsichtsratssitzung besorgt nach dem Engagement auf dem US-Hypothekenmarkt gefragt. Ortseifen habe daraufhin erklärt, es gebe keine direkten Investments, resümiert Koppenhöfer die Erkenntnisse des Prozesses. Anschließend habe der Bankenchef dann versucht, "das Protokoll an dieser Stelle zu ändern".

Dann beschreibt die Juristin mit ernster Stimme den sogenannten "Maulkorberlass". Aufgrund "personeller Engpässe" seien irgendwann Frühindikatoren zur Risikoeinschätzung schlicht nicht mehr überwacht worden. Zu einer Zeit, als die Warnungen mit Blick auf den US-Markt Schlag auf Schlag kamen.

"Wir wollten kein Exempel statuieren"

Im Krisenmanagement hat Ortseifen also versagt, er hat die dramatische Lage der Bank gegenüber Aufsehern und Anlegern vertuscht, um so das Unheil doch noch abzuwenden. So lautet das richterliche Urteil, nachdem Manager und Politiker wie Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen ihre Aussagen gemacht haben.

Aber welche Verantwortung trägt Ortseifen für den Beinahe-Untergang der Bank? Wie sehr kann man Einzelpersonen überhaupt verantwortlich machen, weil sie sich von der jahrelangen, aufgepeitschten Stimmung an den Finanzmärkten mitreißen ließen? Schließlich förderte auch Ortseifen die Zockereien in seinem Institut nicht ohne Ansporn. Die Rating-Agenturen drängten schon in den neunziger Jahren, nicht mehr allein auf die langweilige Mittelstandsfinanzierung zu setzen. Drohten sogar mit einer Herabsetzung des Ratings.

Welche Schuld trägt also der Einzelne, wenn das ganze System mit sämtlichen Kontrollsystemen versagt? Das sei nicht die Frage dieses Prozesses gewesen, betonte Richterin Koppenhöfer. "Wir wollten auch kein Exempel statuieren." Weder die Verantwortung von Banken wie der Deutschen Bank, die der IKB erst Risikopapiere verkaufte und ihr dann den Geldhahn zudrehte, noch die Rolle der umstrittenen Rating-Agenturen seien das Thema gewesen.

Noch ist unklar, ob solche Fragen überhaupt jemals juristisch aufgearbeitet werden. Trotz unzähliger Razzien in Banken und Wohnungen, trotz energischer Ermittlungen von Staatsanwälten in ganz Deutschland, ist bislang außer Ortseifen noch kein einziger Banker in Deutschland wegen seines Verhaltens vor und in der Krise angeklagt worden.

"Beredtes Schweigen"

Und auch die Causa Ortseifen ist noch lange nicht abgeschlossen. "Ich bin überzeugt, dass ich mich nicht strafbar gemacht habe", sagte der Manager noch einen Tag vor dem Urteil. Zu Prozessbeginn hatte er zwei Verhandlungstage lang seine Sicht der Dinge erläutert. Das Urteil von Richterin Koppenhöfer über die damaligen Ausführungen fällt im Nachhinein vernichtend aus. "Vorlesungsartig" habe Ortseifen die Finanzmärkte erklärt, zu entscheidenden Punkten habe er sich aber nicht geäußert.

Sie werte die Ausführungen - die in Schriftform satte 180 Seiten füllen - deshalb als "beredtes Schweigen", so Koppenhöfer. Die Reaktionen von Ortseifens Anwälten auf diese harte Kritik ist nüchtern. Dann werde Ortseifen eben im nächsten Prozess noch genauer aufzeigen, was nach seiner Meinung in diesem verheerenden Sommer 2007 hinter den Türen der IKB passierte.


Quelle: http://www.focus.de/
© FOCUS.de - 15.07.2010, 15:28

Finanzkrise

„Ein kriminelles Schneeballsystem“

Nach der ersten Verurteilung eines Bankmanagers sollten weit mehr Banker zur Verantwortung gezogen werden. Vor allem Landesbanker, fordert ein Münchner Strafrechtsprofessor.

Von FOCUS-Redakteur Thomas Röll

Drei Jahre nachdem amerikanische Ramschkredite das weltweite Finanzsystem durcheinandergewirbelt haben, werden erste Verantwortliche der Finanzkrise zur Rechenschaft gezogen. Am Mittwoch kassierte der ehemalige IKB-Chef Stefan Ortseifen Fachleuten zufolge ein noch recht mildes Urteil. Doch das ist erst der Anfang und bei weitem nicht genug, meint Bernd Schünemann, Strafrechtsprofessor in München.

FOCUS Online: Herr Professor, Sie fordern, Staatsanwälte sollten vermehrt gegen Bankmanager ermitteln. Warum ist gerade das Strafrecht das geeignete Mittel, die Finanzkrise aufzuklären?

Bernd Schünemann: Wenn Banken Hunderte von Milliarden Euro verspekulieren, muss man sich fragen, geht das mit rechten Dingen zu? Wenn irgendwo eine Leiche gefunden wird, suchen wir doch auch nach dem Täter. Hier haben wir eine Vielzahl finanzieller Leichen.

FOCUS Online: Welche Straftatbestände werfen Sie denn den Bankmanagern vor?

Schünemann: Ganz sicher kommt Untreue in Betracht. Dafür muss zunächst eine schädigende Handlung nachgewiesen werden. Angesichts der Milliardenverluste dürfte das kein Problem sein. Die Geschäfte wurden auf Vorstandsebene und in den Aufsichtsgremien abgesegnet. Dass hier Handlungen begangen wurden, die für die Verluste kausal sind, daran besteht für mich kein Zweifel.

Die zweite Frage wäre die nach der Pflichtwidrigkeit der Verantwortlichen. Bei den Landesbanken kann diese meiner Meinung nach nicht bezweifelt werden. Landesbanken sind nach ihren Satzungen dazu da, die Kreditbedürfnisse der deutschen Wirtschaft zu decken. Der Einstieg in ein globales, extremes Spekulationssystem kann mit ihrem öffentlichen Zweck nicht vereinbart werden.

FOCUS Online: Verboten waren diese Geschäfte aber nicht, und auch die Politiker in den Aufsichtsräten der Landesbanken haben nicht widersprochen.

Schünemann: Das stimmt. Die allgemeine Verteidigung lautet, man habe sich auf die Bewertungen der Ratingagenturen verlassen. Aber genügt das? Auch wenn man in gut bewertete Papiere investiert, nimmt man seine Pflichten als Vermögensverwalter nicht mehr war, wenn das Volumen die Existenz der Bank bedroht, und man der Bewertung blind vertraut.

FOCUS Online: Nun heißt es aber immer wieder, niemand habe den Kollaps des amerikanischen Immobilienmarktes kommen sehen. Welche Versäumnisse sehen Sie hier?

Schünemann: Normalweise muss doch vor jedem Investment geprüft werden, was eigentlich die Basis der jeweiligen Anlage bildet. In diesen Fällen waren das Hypotheken auf minderwertige Grundstücke, deren Eigentümer zudem nicht in der Lage waren, ihre Kredite zu bedienen.

Zum Zweiten hätte man klären müssen, wer die Ratingagenturen beauftragt hat. Kann es bei deren Arbeit zu einem Interessenskonflikt kommen? Hier war es so, dass diejenigen, die diese Finanzprodukte gebastelt haben, gleichzeitig die Agenturen beauftragt und bezahlt haben. Es gab also von Anfang an eine erkennbare Interessenskollision.

FOCUS Online: Bei sorgfältiger Prüfung hätte den Banken das immense Risiko ihrer Investments also bewusst sein müssen?

Schünemann: Ja. Meiner Meinung nach handelte es sich bei diesen Geschäften um ein Schneeballsystem, dessen Zusammenbruch von vorneherein fest stand.

FOCUS Online: Das müssen Sie genauer erklären.

Schünemann: Die Grundstruktur der Immobiliengeschäfte war so angelegt, dass immer neue Kreditnehmer gefunden werden mussten, die den alten ihre Grundstücke zu immer höheren Preisen abkauften, damit diese Zinsen und Tilgung aus dem Verkaufserlös bestreiten konnten. Es mussten also dieselben Grundstücke als Sicherheiten für immer höhere Darlehen dienen, wobei sich gleichzeitig die Bonität der Kreditnehmer beständig verschlechterte. Dass dieses Geschäftsmodell einmal kollabieren musste, stand von Anfang an fest – wie bei jedem Schneeballsystem.

„Die Versuchung war zu groß“

FOCUS Online: Mit diesem Vorwurf rücken sie die Banken in die Nähe gewöhnlicher Krimineller.

Schünemann: Es gibt durchaus Hinweise für eine Art global organisierter Kriminalität. Dafür spricht auch die Heimlichkeit, mit der diese Geschäfte ausgeübt wurden. Immerhin haben viele deutsche Banken eigens dafür im Ausland angesiedelte Zweckgesellschaften gegründet. Warum sollten sie versuchen, die deutsche Bankenaufsicht zu umgehen, wenn sie nichts zu verbergen gehabt hätten?

FOCUS Online: Zum Tatbestand der Untreue gehört auch der Vorsatz. Wie wollen Sie den nachweisen?

Schünemann: Das muss natürlich in jedem Einzelfall genau untersucht werden. Aber es gibt massive Umstände, die darauf hinweisen, dass zumindest manche Beteiligte nicht gutgläubig gehandelt haben. Die Verantwortlichen bei den Landesbanken wussten, dass sie sich außerhalb ihres eigentlichen Geschäftsbereichs betätigten. Die Bank-Manager, die diese komplizierten Investment-Modelle entwickelt haben, kannten die Struktur des Geschäfts. Und wenn jemand das Modell begriffen hatte, dann musste er auch die enormen Risiken sehen.

FOCUS Online: Warum sollten Bankmitarbeiter sich auf derart ruinöse Geschäfte einlassen? Gibt es dafür ein Motiv?

Schünemann: Ein möglicher Tatanreiz sind die exorbitanten Boni, die gezahlt wurden. Wenn ich ein Investmentbanker bin, der einen hohen Bonus kassieren kann, dann ist die Versuchung sehr groß, riskante Geschäfte zu tätigen, die nur kurzzeitig erfolgreich sind. Wenn es dann nach einigen Jahren schief geht, sage ich „Tut mir leid“ – meine Boni kann ich dennoch behalten.

FOCUS Online: Bislang wurde als einziger Verantwortlicher der ehemalige IKB-Chef Stefan Ortseifen im Zusammenhang mit der Finanzkrise verurteilt. Warum hält sich die Justiz derart zurück?