Dr. Utz Jürgen Schneider

 

Jürgen Schneider im Jahr 1993 in Barthels Hof.
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Jürgen Schneiders Bekenntnisse eines Baulöwen /  
Vom verhinderten Architekten zum Milliarden-Pleitier

 Von ANDREAS DUNTE 

"Sich ein Vorbild an mir zu nehmen, davor kann ich nur warnen. Eine große Menge Geld schafft mehr Probleme, als sie zu lösen vermag." 
Zumal, wenn einem das Geld nicht gehört, möchte man hinzufügen. Pünktlich mit der vorzeitigen Entlassung aus dem Gefängnis - nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner auf sechs Jahre und neun Monate festgesetzten Haftstrafe - meldet sich Jürgen Schneider mit seiner Biografie "Bekenntnisse eines Baulöwen" zurück. Der Titel soll bewusst an Thomas Manns Hochstapler Felix Krull erinnern. 
Natürlich wirbt das Buch damit, dass es um das größte deutsche Wirtschaftsstrafverfahren gegen den größten Privatinvestor geht, den das deutsche Baugewerbe je erlebt hat. Seitdem gibt es bei den Großbanken eine neue Zeitrechnung: Vor Schneider und nach Schneider. Über den Aufstieg und spektakulären Fall des Milliarden-Pleitiers, dessen Häuser die Innenstädte von Frankfurt, Berlin, München und Leipzig zieren, der die Banken missbraucht hat wie kein anderer, ist viel geschrieben worden. Schneider war das Medienereignis Mitte der 90er Jahre. Als sein Imperium zusammenbrach, mussten auch in Leipzig zahlreiche Handwerksmeister, die auf ihren Rechnungen saßen, um ihre Zukunft bangen. 
Kein Buch, dass man unbedingt lesen muss, kommt einem anfänglich in den Sinn. Da versucht nur einer seine eigene, alles andere als glorreiche Geschichte zu beleben, um sich das nötige Kleingeld für die Zeit nach dem Knast zusammenzuschreiben. Weit gefehlt. Denn Schneider verfügt nach eigener Auskunft dank der Kinder über ein beschauliches Auskommen. Die Erlöse aus dem Buch will er einem Hilfsfond für geschädigte Handwerker zur Verfügung stellen. 
Um Ansehen ist er indes schon bemüht. Um zu verstehen, was ihn zum verwerflichen Größenwahn und zum kriminellen Handeln getrieben hat, widmet sich ein Teil des Buches dem Heranwachsen während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Der strenge, ja despotische Vater spielt in Schneiders Leben die zentrale Rolle. Obwohl vom Sohn geliebt und verehrt, verwehrt der Vater, der auch handgreiflich wird, ihm die Anerkennung, zwingt ihn letztlich sogar, statt Architekt, wie er es sich gewünscht hat, Bauingenieur zu werden. Selbst öffentliche Erniedrigung erspart ihm der Vater nicht. Erst spät versucht Junior Schneider sich abzunabeln, verlässt das von ihm geleitete Bauunternehmen der Familie und wird enterbt. Mit 44 Jahren macht er sich selbstständig. Worauf der Vater die Banken anruft und ihnen nahe legt, dem Sohn keine Kredite zu geben. 
Schonungslos spricht Dr. Utz Jürgen Friedrich Schneider über die Gepflogenheiten der Branche, über Preisabsprachen, Kartelle, Schmiergeldzahlungen, wie bei Rechnungen und Bilanzen gelogen und betrogen wurde, daß sich die Balken bogen. Viel Raum nimmt die Vorliebe Schneiders zu "seinen Prachtbauten", deren "liebevolle und hingebungsvolle Restaurierung" - auf Kosten der Banken - ein. 
Die Kapitel über die Flucht und den Aufenthalt in Miami sowie die Festnahme von Schneider und seiner Frau Claudia lesen sich streckenweise wie ein Krimi. Da ist von einem dubiosen Fluchthelfer die Rede, dem sie ausgeliefert waren. Schneider wirft gar die These auf, dass das Bundeskriminalamt bereits ein halbes Jahr vor der Verhaftung den Aufenthaltsort in Miami gekannt haben soll. 
Trotz zahlreicher Phrasen, die Schneider in seiner Biografie nicht ausspart 
(Im Kapitel "Auf nach Leipzig": "War nicht der Moment gekommen, wo wir vom Schicksal Verwöhnten die Pflicht hatten, unsere Brüder und Schwestern im Osten mit eben jenen Segnungen auszustatten, um die sie uns 
jahrzehntelang beneidet hatten?"), kommt er als Mensch daher, so dass es mitunter schwer fällt zu glauben, der Mann da war ein hart gesottener Wirtschaftskrimineller. Wie im Prozess räumt Schneider auch im Buch seine Schuld ein. 
"Ich schwelgte so sehr in der Fülle meiner Bedeutsamkeit, dass ich glaubte, ungestraft die Gesetze missachten zu können." 
Was ihm anzurechnen ist: Er versucht sich nicht nachträglich frei von Schuld zu sprechen. 
Das Buch ist hauptsächlich aber eine späte Abrechnung mit seinen Partnern bei den Banken. Ein umfänglicher Teil der Buches ist deshalb Auszügen aus den Gerichtsprotokollen, sprich der Anhörung von Bankenvertretern reserviert. Ohne ihre "kaum vorstellbare Fahrlässigkeit und Pflichtvergessenheit"    (Schneiders Richter Gehrke) hätte der Angeklagte nicht zu einem solchen Großbetrüger werden können. Schneider: 
"Wer statt zu prüfen sich in spekulativer Scheinsicherheit wiegt, muss sich 
den Vorwurfgefallen lassen: Gier frisst Hirn. Ob die Gesellschaft es sich leisten kann, mit einer nachsichtigen Rüge darüber hinwegzusehen, während Eierdiebe im Gefängnis landen, wird sich noch zeigen." 
Das ist spät nachgetreten, denn Schneider hat im Prozess alle Schuld auf sich geladen. Damit hat er eigennützig das Verfahren verkürzt, die Banken rausgehalten und auf ein milderes Urteil abgezielt. Heute stellt Schneider die Frage: "Was Mitverantwortung von Mitschuld unterscheidet?" 
Das Nennen von Namen, Taten und Motiven seiner Partner bei den Kreditinstituten dürfte für Diskussionszündstoff sorgen. Fern aller Selbstunterschätzung kündigt der gescheiterte Baulöwe an, keine Gelegenheit auszulassen, um an die fragwürdige Kreditvergabepraxis der Banken zu erinnern, "mit der auch kleine Leute in den Ruin getrieben werden". 
Obwohl die Leipziger derzeit Stadtführungen mit Schneider zu seinen einstigen Bauten wie die aufwändig restaurierte Leipziger Mädler-Passage ablehnen, ahnt der Milliarden-Pleitier, dass die Zeit für ihn arbeitet. 
"Es gibt guten Grund zur Hoffnung, dass die Anerkennung der bleibenden Werte, die ich vor allem in Frankfurt und Leipzig hinterlassen habe, auf lange Sicht schwerer wiegt als der Makel der Verfehlungen." 

Jürgen Schneider, Bekenntnisse eines Baulöwen, Ullstein Verlag, 359 Seiten, 38,80 DM.