Dr. Utz Jürgen Schneider

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Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 5. Mai 2009 (Printausgabe - Seite 18)
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"Leipzig war mein Waterloo"

Vor 15 Jahren: Das Imperium des Immobilienmoguls Jürgen Schneider bricht zusammen

Vor 15 Jahren war plötzlich alles zu Ende: Im April 1994 stellt die Deutsche Bank Strafanzeige, das Insolvenzverfahren wird eröffnet und Schneider flüchtet nach Florida. In Leipzig und anderen Städten bangen viele Handwerksfirmen um ihre Zukunft. Sie sitzen auf ihren Rechnungen und das Entsetzen ist groß - galt Schneider doch zuvor als der Retter vieler historischer Bauten.

Der Aufstieg

Schneider hatte sich zuvor einen Namen als großer Baulöwe gemacht. Vom Vater gezwungen statt Architekt Bauingenieur zu werden, leitet er zunächst das Bauunternehmen der Familie. Erst mit 44 Jahren macht er sich selbstständig - gegen den Willen des Vaters, wie er in seiner Autobiographie "Bekenntnisse eines Baulöwen" beschreibt. Obwohl der Vater daraufhin die Banken bittet, seinem Sohn keine Kredite zu geben, kommt Schneider nicht in Bedrängnis. Zu seinem guten Ruf als Bauingenieur kommt eine vermögende Ehefrau. Im Laufe der Zeit steigt Schneider zu einem der angesehensten Bauunternehmer des Landes auf. Aus der denkmalgeschützten Firmenzentrale, der Villa Andreae in Königstein, leitet er sein Imperium mit über 150 Immobilien. Er saniert aufwändig historische Gebäude in München, Frankfurt und Berlin.

Das Leipzig-Engagement

Im Westen bereits als erfolgreicher Unternehmen bekannt sucht er 1990 nach einem geeigneten Ort für sein Ostengagement und verliebt sich in Leipzig: "Bezaubert von der Anmut des historischen Kerns hatte ich Leipzig vom ersten Moment an ins Herz geschlossen." Vom Flair angetan will er selbst der Stadt das historische Gesicht wieder geben: "Im inneren Ring der Messestadt lag eine bauliche Schönheit im Dornröschenschlaf, und ich war der Prinz, der sie wach küssen wollte - und konnte", schreibt er später. Doch als er 1991 damit beginnt, in Leipzig eine Immobilie nach der anderen zu kaufen, hat er in den alten Bundesländern bereits einen Schuldenberg von fast zwei Milliarden D-Mark angehäuft. "Zu teuer eingekauft, zu teuer gebaut und zu teuer verwaltet", urteilt später Konkursverwalter Gerhard Walter.

Trotzdem entwickelt der Königsteiner eine ungewöhnliche Kaufwut: Neben Edelimmobilien wie Barthels Hof und dem Fürstenhof erwirbt er auch 60 Prozent der Mädlerpassage, das Romanushaus, den Zentralmessepalast und das Bamberghaus am Augustusplatz. Vor allem die Durchgangsverbindungen und Höfe sind seine Leidenschaft: Steibs Hof in der Nikolaistraße, Thiemes Hof in der Querstraße, Wünschmanns Hof am Dittrichring sind nur einige Beispiele dafür. Am Ende gehört ihm ein Zehntel der City. Das Geld für seine Leipziger Immobilien borgt sich der Hesse bei mindestens 22 Banken zusammen.

In ganz Deutschland hat der Großinvestor zum Schluss 55 Geldinstitute im Boot, die ihm die Finanzierungswünsche willig erfüllen - bis die Immobilienbranche in die Krise gerät. Und das Engagement in Leipzig ihm zum Verhängnis wird. "Leipzig war mein Waterloo", sagt er später. "Hier habe ich nicht nur mein Herz verloren an die vielen schönen alten Häuser der Innenstadt, sondern auch sehr viel Geld." Denn Schneider legt, wie es später in der Anklage heißt, zur Finanzierung des Zentralmessepalastes in Leipzig der Deutschen Bau- und Bodenbank im Juni 1991 eine Scheinrechnung über 29 Millionen D-Mark vor.

Der Fall

Den Stein für den rasanten Fall des Immobilienmoguls bringt aber zunächst etwas Anderes ins Rollen: Ende Februar 1994 erscheint ein kritischer Zeitungsartikel über Probleme mit Mietern der Schneider-Immobilien. Schneider selbst beginnt an der Standhaftigkeit seines Lügengebäudes zu zweifeln. Als er Anfang April seinen Hauptkreditgeber Deutsche Bank über die drohende Zahlungsunfähigkeit informiert, wankt das Imperium bereits. Die Deutsche Bank stellt Strafanzeige, das Insolvenzverfahren wird eröffnet, Schneider selbst flieht ins Ausland und seine Masche kommt nach und nach ans Licht.

Der Immobilienguru hatte über Jahre hinweg Mietverträge und Baupläne gefälscht, Informationen zurückgehalten und fehlerhafte Rechnungen aufgestellt. Die Banken überprüften seine Angaben nicht, ließen sich blenden und beschwatzen. Beim Zusammenbruch seines Imperiums hinterlässt er bei über 50 Geschäftsbanken den Gesamtbetrag von 5,4 Milliarden D-Mark Schulden, der sich nach dem Verkauf der meisten Immobilien auf 2,4 Milliarden D-Mark verringerte. "Ich wunderte mich selbst, das es so einfach war", sagt Schneider während des Prozesses.

Der Prozess

Nach einer Flucht ins Ausland wird das Ehepaar im Mai 1995 in Miami verhaftet, im Februar 1996 an die Bundesrepublik ausgeliefert. Nach zweieinhalb Jahren Untersuchungshaft folgt im Juni 1997 das größte Wirtschaftsstrafverfahren, das das deutsche Baugewerbe bis dato erlebt hat - 446 Seiten Anklageschrift, sechs Monate Prozess, Vertreter von über 50 Banken als Zeugen. Schneider selbst nimmt die Schuld auf sich: "Ich bin kein Unschuldslamm." Er bekennt, bei den Objekten Zentralmessepalast und Mädlerpassage in Leipzig mit Scheinrechnungen und Strohfirmen gearbeitet zu haben. Auch bei anderen Objekten räumt er seine Täuschungen ein. Doch immer schwingt auch die Frage nach der Mitschuld der Banken mit.

Am Ende steht fest: Bauspekulant Jürgen Schneider wird wegen schweren Betrugs, Kreditbetrugs und Urkundenfälschung zu sechs Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Strafmildernd wertet das Landgericht Frankfurt die unfassbare Fahrlässigkeit vieler Bankmitarbeiter.

Die Folgen

Nach zwei Dritteln der Haftstrafe wird Schneider Ende 1999 aus dem Gefängnis entlassen und wagt sich unter die Buchautoren. Unter Mitarbeit des Ghostwriters Ulf Mailänder veröffentlicht er drei Bücher, darunter die Autobiographie "Bekenntnisse eines Baulöwen". Die Einnahmen sollen in den von Schneider eingerichteten Hilfsfonds zur Unterstützung von der Pleite geschädigter Handwerker fließen. Sein Lebensabend ist ohnehin gesichert. Zwar hat er das Drittel vom Familienerbe, das ihm der Vater eigentlich vorenthalten wollte, ausgeschlagen. Doch es ging an seine Kinder, die nun für ihn sorgen.

In Leipzig werden viele Immobilien auch ohne Schneiders weiteres Engagement saniert. Die erste Rettung glückt den Töchtern des Passagen-Erbauers Anton Mädler. Sie pochen auf eine Klausel im Kaufvertrag, nach der ihnen ein vorrangiges Zugriffsrecht zusteht und können die 60 Prozent der Mädlerpassage zurückerobern. Später steigt die Commerzbank in die Passagen-KG ein und hilft, den Durchgang für fast 30 Millionen D-Mark zu sanieren.

Die Mehrzahl der Gebäude werden von den jeweiligen Gläubigerbanken übernommen und aufwändig fertig saniert. Steibs Hof, Barthels Hof, das Romanushaus oder der Fürstenhof sind inzwischen die Kleinode, die sich Schneider gewünscht hat. Er selbst besucht die Stadt hin und wieder, wurde zuletzt im März 2009 in der Mädlerpassage gesehen. Trotz erneuten Betrugsvorwürfen scheint er den Wunsch auf ein glückliches Ende noch nicht aufgegeben zu haben. In seiner Biographie schreibt er: "Es gibt guten Grund zur Hoffnung, dass die Anerkennung der bleibenden Werte, die ich vor allem in Frankfurt und Leipzig hinterlassen habe, auf lange Sicht schwerer wiegt als der Makel der Verfehlungen."

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DREI FRAGEN AN …
Hauptgeschäftsführerin der Leipziger Handwerkskammer Sigrid Zimmermann

Wie sehen Sie die Person Jürgen Schneider?
Jürgen Schneider gilt heute wegen der schön sanierten und kulturhistorisch wertvollen Innenstadtimmobilien, darunter Mädlerpassage oder Barthels Hof, vielen als verdienstvoller Mann. Man darf aber nicht vergessen, dass sein durch Betrug und Urkundenfälschung herbeigeführter Bankrott viele Menschen fast die Existenz gekostet hätte.

Wenn Sie sich erinnern: Wie erging es den Firmen vor 15 Jahren?
Weil es der erste große Konkurs in der Region war, saß der Schreck natürlich tief. Viele Betriebe der Region waren direkt von der schneiderschen Immobilienpleite betroffen. Darunter auch 60 Handwerksfirmen, die plötzlich auf offenen Rechnungen saßen. Zahlreiche Arbeitsplätze und Existenzen waren bedroht. Glücklicherweise sind aber keine kleineren und mittleren Betriebe des Handwerks direkt infolge der Schneider-Insolvenz in die Pleite gegangen, wenn auch einige Schäden zu verzeichnen waren. Glücklicherweise wurden betroffene Baustellen in der Regel durch Banken oder deren Gesellschaften weitergeführt.

Und die Firmen erhielten Hilfe?
Wegen der politischen Dimension der Schneider-Pleite haben viele Akteure damals gemeinsam angepackt, um die regionale Wirtschaft zu schützen. Eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Stadt, Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer hat rasch versucht, die Situation zu entschärfen. Die Stadt half mit schnellen Überweisungen offener Rechnungen an Handwerker und gab mit ihren kommunalen Firmen Aufträge an Betriebe. Die Handwerkskammer schaltete eine Telefon-Hotline, um schnell für betroffene Firmen erreichbar zu sein und ihnen zu helfen.

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Führungen auf den Spuren des Baulöwen

Stadtführungen auf den Spuren Jürgen Schneiders - als die Idee 2006 in die Tat umgesetzt wurde, herrschte Andrang. "Inzwischen ist es deutlich weniger geworden", sagt Melanie Jarczewsky von der Firma Leipzig Erleben, die die Rundgänge veranstaltet. "Aber wir bieten die Führungen noch immer an." Entlang an Schneiders ehemaligen Besitztümern - wie Romanushaus, Barthels Hof und natürlich Mädlerpassage - wird nicht nur ein besonderer Blick auf Leipzigs Innenstadt geworfen, sondern auch die eine oder andere Anekdote über den "Herrn Doktor", wie er sich nur allzu gern nennen ließ, erzählt.

Private Gruppen mit bis zu 25 Personen können den Rundgang jederzeit buchen. Für zwei Stunden bezahlt man insgesamt 90 Euro. Die nächste öffentliche Führung findet am 5. Juli statt. Treffpunkt ist 14 Uhr an der Tourist-Information in der Richard-Wagner-Straße. Es kostet pro Person acht Euro.

Internet: www.leipzig-erleben.com

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STICHWORT - Peanuts

Mit dem Begriff Peanuts (umgangssprachlich für Kleinigkeiten) verniedlichte der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, offene Handwerkerrechnungen von 50 Millionen D-Mark. Er setzte diese Zahl in Relation zu den gesamten Forderungen, die aus der Schneiderschen Insolvenz entstanden, in Höhe von 5,4 Milliarden D-Mark. Kopper prägte mit seiner Äußerung das Unwort des Jahres 1994.