Dr. Utz Jürgen Schneider

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Quelle: http://zeitenwende.ch/
© boerse.de - 15.09.2002 08:01

"Peanuts" - Die Schneider-Immobilien-Pleite 1994

Im Jahr 1994 meldete die Firmengruppe von Dr. Jürgen Schneider Konkurs an und sorgte damit für die größte deutsche Immobilienpleite, die je ein einzelner Kaufmann verursacht hatte. Insbesondere die Banken standen damals im Mittelpunkt der Affäre.

Die Vorgeschichte zu diesem Skandal begann als Schneider 1981 mit 47 Jahren aus dem väterlichen Betrieb ausstieg, um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Nur ein Jahr später kaufte er einen heruntergekommenen Gründerzeit-Bau in Baden-Baden. Da er nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügte, lieh er sich das Geld von der Bank. Allerdings war ihm schnell bewusst, dass die vorgeschriebene Kredithöhe von 60 Prozent der Kaufsumme und Baukosten nicht für seine Zwecke ausreichen würde. Also versuchte er, durch einfaches Anhebung der angenommenen Miethöhe und der errechneten Mietfläche, mehr Geld von der Bank zu bekommen als das Objekt eigentlich wert war. So errechnete er für die Sanierung und den Kauf der Immobilie zunächst einen Bedarf von 25 Millionen Mark, veränderte die Daten dann so, dass das Projekt auf 42 Millionen Mark geschätzt wurde und bekam anhand seiner korrigierten Planungen schließlich von der Deutschen Bank einen Hypothekenkredit über 28 Millionen ausbezahlt. Zu keiner Zeit war dabei seine Bedarfsrechnung angezweifelt worden. Nachdem der Bau erfolgreich abgeschlossen war, hatte Schneider damit über 2 Millionen Mark übrig und aus den Erfahrungen mit den Finanzinstituten gelernt. Das "Goldene Kreuz", wie die Immobilie in Baden-Baden hieß, wurde zum Modellfall für seine weitere Karriere.

In den folgenden Jahren fing Schneider an, sein Imperium aufzubauen. Er kaufte Immobilien in Offenburg und Nürnberg und richtet sich gleichzeitig eine "Frostkasse" ein, die mit den nicht verwendeten Baukrediten gefüllt wurde. Gleichzeitig fand Schneider immer neue Tricks, um die Banken zu täuschen. Neben dem "Schönrechnen" der Finanzierung, schreckte er nun auch nicht mehr vor Betrug und Urkundenfälschung zurück. So stellte er beispielsweise eine Tiefgarage durch geringfügige Modifikationen als Baumaßnahme für einen Atom-Schutzbunker dar und bekam so weitere Zuschüsse aus einem Subventionstopf. Der Baulöwe kaufte in Frankfurt das Hotel "Fürstenhof" bei dem auch die Deutsche Bank geboten hatte und bekam anschließend von dem selben Institut einen Kaufkredit, der das Höchstgebot der Deutschen Bank weit überstieg. Später schrieb Schneider dazu: "die eine Hand (der Bank) wusste nicht, was die andere tut". Bei der Renovierung der "Zeilgalerie" in Frankfurt erhöhte er die reale Nutzungsfläche von 9.000 auf 22.000 Quadratmeter und erfand 30 imaginäre Mieter inklusive gefälschter Mietverträge. Bei der Restaurierung des "Bernheimer Palais" in München stockte er das Gebäude einfach um zwei nicht-existente Stockwerke mit ein paar Tausend Quadratmetern Mietfläche auf. Dass die Stockwerke fehlten, fiel keinem Mitarbeiter der Deutschen Bank auf, obwohl die Münchner Filiale direkt gegenüber dem Palais lag.

Im Laufe der Jahre wurden seine Objekte immer teurer und seine Übertreibungen immer kurioser. Schneider pickte sich nur die teuersten und angesehensten Immobilien in Deutschlands Innenstädten heraus, die er teuer kaufte und aufwendig renovierte, in der Hoffnung später dafür einen noch höheren Verkaufspreis zu erzielen. Ständig nahm er dafür neue Kredite auf und legte die 30-40 Prozent, die er davon nicht verbrauchte, als Festgeld an. Gleichzeitig wurde sein Firmenimperium immer komplexer. Wichtigster Bestandteil war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus Jürgen Schneider und seiner Frau Claudia, unterstützt von einer Sekretärin und einem Fahrer, die Aufträge an die "Dr. Jürgen Schneider Vermögensverwaltung AG" vergab. Die Vermögensverwaltung AG verteilte die Aufträge dann wieder an eine Reihe von Firmen, die u.a. für Bauabwicklung, Vermietung und Verwaltung der Schneider-Objekte zuständig waren. Diese Unternehmen waren zwar rechtlich eigenständig, gehörten aber ebenfalls der GbR.

Rechtzeitig bevor erste Zweifel an seiner Seriosität aufkamen, verkaufte er den "Fürstenhof" in Frankfurt für 430 Millionen Mark an eine japanische Bank und strich dabei über 200 Millionen Mark Gewinn ein. Dieser Coup machte die Kritiker zunächst mundtot, denn schließlich war sein Konzept (teuer kaufen, aufwendig renovieren und für einen hohen Preis wieder verkaufen) zum ersten Mal aufgegangen. Doch obwohl weitere Verkäufe folgten, sollte der "Fürstenhof" das einzige Gebäude sein, dass Schneider tatsächlich veräußerte. Alle anderen Immobilien wurden von Schneiders Scheinfirmen gekauft, deren Zahl immer weiter anstieg. Immobilien, die Schneider auf Bankenkredite erworben hatte, wechselten später so zu einer weiteren Firma seines Imperiums. Der nun wesentlich höhere Kaufpreis basierte ebenfalls wieder auf Banken-Krediten und die Differenz floß wieder in seine "Frostkasse". Keine der betroffenen Finanzhäuser merkte dabei, dass sowohl Käufer als auch Verkäufer Dr. Jürgen Schneider war. Als sich der Osten öffnete, erweitert Schneider seine Aktivitäten u.a. nach Leipzig oder Erfurt und füllte mit den dort neu bekommenen Krediten die Finanzierungslücken im Westen.

Doch so wie der Aufschwung nach der Wiedervereinigung Schneiders Imperium weiter aufgeblasen hatte, so geriet es in der anschließenden Rezession am Immobilienmarkt ab 1992 immer mehr ins Wackeln. Fallende Immobilienpreise hatten die Aussicht auf weitere Rekordverkäufe zunichte gemacht, zudem brachten sie die Scheingeschäfte in Schwierigkeiten, da Schneiders Firmen nicht gegen den Trend weiter hohe Summen für Gebäude ausgeben konnten. Anfang 1994 besaß Schneider etwa 170 Immobilien in Deutschland u.a. in Frankfurt, Leipzig, Berlin, München, Hamburg, Erfurt und Baden-Baden. Gleichzeitig hatte sich sein Schuldenberg bei den Banken auf 5,5 Milliarden aufgetürmt. Sein Firmenimperium umfasste 130 bis 200 Unternehmen, darunter ein Steinbruch in Namibia, eine Hemdenfabrik, ein Installationsgeschäft oder eine Fabrik für Sensoren, die er aus Steuergründen erworben hatte. Seine "Frostkasse" war auf über 615 Millionen Mark angewachsen, die auf verschiedenen Festgeldkonten schlummerten.

Schneider selbst hatte zu diesem Zeitpunkt den Überblick über sein Imperium verloren. Als im Frühjahr 1994 ein kritischer Artikel über Mieterprobleme in der Frankfurter "Zeilgalerie" in der FAZ erschien, musste Schneider mit einer Überprüfung der gefälschten Mietverträge rechnen. Doch obwohl die Bank den Zeitungsartikel kannte, wurde er ohne Rückfragen zu den Akten gelegt. Dennoch war Schneider das Risiko zu groß geworden und er beschloss, sich ins Ausland abzusetzen. In einem Brief an die Deutsche Bank warnte er am 7. April 1994 die Finanzwelt vor seiner drohenden Zahlungsunfähigkeit und beantragte die Stundung seiner Kredite. Gleichzeitig überwies er 245 Millionen Mark von seiner Frostkasse auf ein Konto in der Schweiz und floh mit seiner Frau, einer Million Mark sowie 20.000 Dollar Bargeld in die USA. Dort wohnen beiden zuerst standesgemäß im Hotel "Capitol Hill" in Washington und tauchen wenig später unter. In den folgenden Tagen gelangen immer mehr Details von Schneiders Machenschaften an die Öffentlichkeit. Am 13. April 1994 stellte die Deutsche Bank dann Strafanzeige gegen den Baulöwen. Nur einen Tag später eröffnet das Amtsgericht Königstein das erste Konkursverfahren über sein Vermögen. In einer Pressekonferenz am 24. April 1994 bezifferte Deutsche Bank-Chef Hilmar Kopper die Schulden Schneiders zum Jahresende 1993 auf 5,3 Milliarden Mark. Allein die Deutsche Bank saß auf Forderungen von 1,3 Milliarden Mark. Berühmt wurde diese Rede vor allem durch den Ausspruch " Peanuts", den Kopper im Zusammenhang mit den offene Handwerker-Rechnungen in Höhe von rund 50 Millionen Mark gebrauchte und der später aufgrund der großen Proteste in der Bevölkerung zum Unwort des Jahres gewählt wurde. Am 26. April 1994 bestätigte die Genfer Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme der 245 Millionen, die Schneider kurz zuvor in die Schweiz transferiert hatte. Im Juni erging dann ein internationaler Haftbefehl über Interpol.

In den folgenden Wochen wurde klar, wie Schneider die Banken getäuscht hatte. Insbesondere die deutschen Finanztitel hatten daraufhin unter einem massiven Vertrauensverlust und dem Gespött der Öffentlichkeit zu leiden. Dies zeigte sich auch in den Aktienkursen der betroffenen Banken, was die folgende Tabelle wiedergibt:
Konzern Zeitraum Verlust
Deutsche Bank (11.04.94-30.05.94) - 9.46%
Bankgesellschaft Berlin (07.04.94-17.05.94) - 15,72%
HypoVereinsbank (11.04.94-24.06.94) - 16,28%
Commerzbank 02.05.94-27.06.94 - 16,78%
Dresdner Bank (11.04.94-22.06.94) - 18,33%

Im Mai 1995 erklärte das zuständige Konkursgericht in Königstein eine Konkursquote für nicht bevorrechtigte Gläubiger von 10 Prozent. Im gleichen Monat konnte Schneider endlich in Miami aufgespürt und verhaftet werden. Nach seiner Auslieferung im Februar 1996 begann am 30. Juni 1997 vor dem Frankfurter Landgericht einer der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte. Vertreter von über 50 deutschen Banken waren als Zeugen geladen. Insbesondere die Frage, ob die Banken eine Mitschuld träfe oder nicht, beschäftigte dabei das Gericht. Immerhin waren offenkundigen Anzeichen für Fälschung und Betrug übersehen worden.

Das Gericht kam zum Schluss, dass die Banken sehr wohl eine Mitschuld trugen, immerhin hatte deren Sorglosigkeit, Fahrlässigkeit und in Einzelfällen sogar Dummheit den Betrug durch Schneider gerade erst ermöglicht und sogar provoziert. Aufgrund der Fahrlässigkeit der Banken, bekam der Angeklagte schließlich am 23. Dezember 1997 auch ein überraschend mildes Urteil als er wegen Betrugs, Kredit- und Urkundenfälschung zu einer Gefängnisstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt wurde. Bei den Banken selber gab es dagegen kaum Konsequenzen aus dem Skandal. Ein paar Verantwortliche mussten ihren Posten räumen, aber niemand wurde strafrechtlich verfolgt, obwohl das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen feststellte, dass allein die Deutsche Bank in 15 Fällen gegen das Kreditwesens- und Hypothekenbankgesetzes verstoßen hatte. Immerhin wurden als Reaktion auf das Debakel bei der Deutschen Bank neue Standards eingeführt, die einen zweiten Fall Schneider in Zukunft verhindern sollen. Schneider selbst kam im Dezember 1999 vorzeitig wieder frei und betätigte sich mittlerweile als Buchautor.

Kurz nach dem Skandal um Jürgen Schneider rückte ein anderer Mann in den Fokus der Öffentlichkeit. Der junge Finanzmakler Nick Leeson hatte Anfang 1995 durch Fehlspekulationen die traditionsreiche Barings-Bank in den Ruin getrieben.